Russland : War Siegfried Wolf bei der russischen GAZ in die Rüstung involviert?
Die Sanktionen gegen die russische Wirtschaft und russische Oligarchen als Antwort auf die militärische Aggression in der Ukraine ziehen auch in Österreich immer weitere Kreise. Unlängst war eine Diskussion darüber entbrannt, warum der Name von „Oleg Deripaska“ auf den Sanktionslisten der EU bislang ausgespart worden war. Medienberichten zufolge, soll der Mehrheitseigentümer von Russian Machines über dessen Nutzfahrzeugherstellers GAZ nämlich auch Rüstungsgüter produzieren.
Die in der Folge lautstarken Rufe nach Sanktionen gegen Deripaska hatten auch innerhalb Österreichs zu Diskussionen rund um die Verstrickung der heimischen Wirtschaft mit der russischen Oligarchie geführt. Bei Österreichs größtem Baukonzern „Strabag“ bemüht sich die Familie Haselsteiner seither gegenüber Deripaska auf Distanz zu gehen. Der Investor und neue Eigentümer von „Steyr Automotive“, Siegfried Wolf, war ebenfalls aufgrund der Sanktionen gegen Russland öffentlich unter Druck geraten. Sein Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender der Sberbank Europe AG hat Wolf inzwischen zurückgelegt. Aber auch seine langjährige Geschäftsbeziehung mit Oleg Deripaska sorgte für Diskussionsstoff. Nach seinem Ausscheiden als CEO von Magna International im Jahr 2010 engagierte sich der gebürtige Steirer nämlich in Russland und bekleidete von 2010 bis 2018 den Posten als Verwaltungsratsvorsitzender in Oleg Deripaskas Firmenimperium „Russian Machines LLC" mit Sitz in Moskau. Von 2010 bis 2019 hatte er zudem den Aufsichtsratsvorsitz der OJSC Gaz Group in Nischni Nowgorod inne. Wolf war insbesondere mit der Modernisierung des Nutzfahrzeugherstellers betraut und konnte in diesem Zusammenhang beachtliche Erfolge vorweisen: Heute ist GAZ der nach eigenen Angaben größte Bushersteller Russlands und jedenfalls einer der größte Hersteller von Nutzfahrzeugen des Landes insgesamt. GAZ bietet eine breite Modellpalette an modernen Transportfahrzeugen an.
GAZ Tigr Militärfahrzeuge
Erst kürzlich legte Steyr Automotive seine Kooperation mit GAZ wegen der EU-Sanktionen auf Eis. „So lange gemeinsame europäische Maßnahmen einen Warenaustausch mit Russland sanktionieren, wird die Kooperation mit GAZ nicht wie geplant fortgesetzt“, ließ das Unternehmen verlautbaren.
Steyr-Eigentümer Siegfried Wolf sah sich angesichts der Diskussionen rund um seine persönlichen Beziehungen zu GAZ und Spekulationen über seine Beteiligung am Rüstungsgeschäft darüber hinaus genötigt, eine öffentliche Erklärung abzugeben. Immerhin hält der Manager nach wie vor Anteile in der Höhe von 10 Prozent an GAZ. Mittels Presseaussendung teilte Wolf mit, dass „die GAZ-Gruppe weder im Zeitpunkt meines Einstiegs bei der GAZ-Gruppe noch danach in der Produktion militärischer Produkte tätig war“ und er auch sonst „niemals an der Produktion irgendwelcher militärischen Produkte beteiligt gewesen“ sei.
Um dies zu bekräftigen, zitiert Wolf aus einem Schreiben des GAZ-Verwaltungsratsmitglieds Alexander Gorlow, der für Rechtsangelegenheiten und die Beziehungen zum „US office of foreign Assets – OFAC“ zuständig ist. Dazu ist anzumerken, dass es seitens der USA bereits seit geraumer Zeit Sanktionen gegen GAZ und dessen Mehrheitseigentümer Deripaska gibt. Gorlow schreibt, dass „die GAZ-Gruppe keine militärischen Fahrzeuge, Maschinen oder andere Arten von militärischen Produkten herstellt. Es war die Strategie der GAZ-Gruppe beginnend mit dem Ende der Sowjetzeit zu Beginn der 1990er Jahre, sich von der Erzeugung militärischer Produkte und damit der sowjetischen Vergangenheit zu trennen. Die GAZ-Gruppe schloss diesen Prozess Anfang der 2000er Jahre ab.“
Die GAZ-Gruppe arbeite bereits seit 2018 eng mit dem US Office of Foreign Assets Control (OFAC) zusammen, das die US-Sanktionspolitik verwaltet. Auf Ersuchen des OFAC hätte die GAZ-Gruppe ein offizielles Weißbuch erstellt, in dem ihre ausschließlich zivile Produktpalette dargelegt wird. Demnach würde die GAZ-Gruppe nicht einmal über militärische Lizenzen oder Zertifizierungen verfügen, um militärische Produkte herzustellen. Aufgrund der Beschäftigung ausländischer Manager und Fachleute und einer großen Anzahl ausländischer Aktionäre und Investoren sei die Rüstungsgüterproduktion in Russland auch rein rechtlich gar nicht möglich: Nach den russischen Regeln und Vorschriften zur Wahrung der Vertraulichkeit und Staatsgeheimnissen sei eine ausländische Beteiligung und/oder Mitwirkung an einer militärischen Produktion nicht zulässig.
Fakt ist allerdings, dass im Netz sehr wohl Fotos und Produktbeschreibungen von Militärfahrzeugen mit der Bezeichnung GAZ Tigr zu finden sind. Auf Nachfrage bestätig Wolfs Sprecher Josef Kalina, seinerseits ehemaliger Bundesgeschäftsführer der SPÖ, die Existenz solcher Fahrzeuge. Eine mögliche Beteiligung des damals im Verantwortungsbereich von Wolf agierenden Unternehmens GAZ weist Kalina dennoch zurück. Die Militärproduktion sei in einem Tochterunternehmen organisiert gewesen und man hätte dieses um 2011 aus dem Konzern abgespalten. Die heutige GAZ produziere ausschließlich zivile Fahrzeuge, dass der Name GAZ noch immer in der Modellbezeichnung der Panzerfahrzeuge auftauche hätte nichts mit einer Beteiligung von GAZ an der Produktion dieser Fahrzeuge zu tun. Herr Wolf lege jedenfalls Wert auf die Feststellung, dass er niemals selbst in die Rüstungsproduktion involviert war und persönlich darauf hingearbeitet habe, dass diese Trennung von der militärischen Produktion auch klar vollzogen wurde.
Die Produktion des Militärfahrzeugs Tigr dürfte heute bei der Military Industrial Company Limited Liability Company (VPK LLC) angesiedelt sein. Die Website des Unternehmens ist allerdings seit Tagen nicht erreichbar, nähere Informationen zu den Eigentumsverhältnissen liegen der Redaktion nicht vor.